Die automotive Arbeitsgruppe, die seit dem Jahr 2000 besteht, beschäftigt sich mit aktuellen Herausforderungen der Steuerung und Regelung von Verbrennungs- und Hybridmotoren. Die Ideen für einen Großteil der Projekte entstehen in enger Kooperation mit Fachkollegen der IAV Automotive Engineering, einem der weltweit führenden Engineeringpartner der Automobilindustrie. Die Eröffnung des IAV-Büros Rostock in unmittelbarer Nachbarschaft zum regelungstechnischen Anwendungszentrum im Jahr 2012 unterstreicht den hohen Stellenwert dieser Kooperation.

Inhaltliche Schwerpunkte der Forschung sind moderne regelungstechnische Funktionsansätze, die in zukünftigen Motorsteuergeräten umsetzbar sind und die die Zielvorstellung von automatisierten und optimierten Bedatungen auch unter Berücksichtgung von Bauteilalterung und -toleranzen unterstützen. In der automotiven Gruppe arbeiten von Anfang an Kollegen des Instituts für Automatisierungstechnik und der Hochschule Wismar zusammen. Darüber hinaus sind Kollegen der FH Stralsund und der Universität Duisburg in die Forschungsgruppe integriert.

Auswahl aktueller Forschungsschwerpunkte

Modellierung und Steuerung der Luftmasse im Brennraum eines aufgeladenen Ottomotors

Moderne regelungstechnische Verfahren bieten in Verbindung mit immer leistungsfähigeren Motorsteuergeräten die Möglichkeit die Effizienz, Fahrbarkeit und die Umweltverträglichkeit von Verbrennungsmotoren ohne konstruktive Modifikationen des Verbrennungsmotors zu steigern. Dies kann durch eine genaue Modellierung der internen Prozesse des Verbrennungsmotors und einer damit möglichen genauen Steuerung der Prozessgrößen erfolgen.

Ziel dieser Arbeit ist die Realisierung einer geforderten Luftmasse (Füllung) in den Brennräumen des Verbrennungsmotors. Durch das vom Motor erzeugte und für den Vortrieb des Fahrzeugs erforderliche Drehmoment hängt vor allem von der Luftmasse in den Brennräumen ab. Die Anforderung für eine Füllungsänderung kann direkt vom Fahrer kommen oder aber von fahrerunterstützenden Instanzen im Motorsteuergerät, beispielsweise der Drehzahlregelung im Leerlauf.

Beeinflusst wird die Füllung durch die Drosselklappe, die je nach Position den angesaugten Luftmassenstrom zu den Brennräumen mehr oder weniger stark drosselt. Um bei geöffneter Drosselklap- pe die Füllung weiter zu steigern ist in vielen Motoren ein Abgasturbolader verbaut. Dieser wird bei Ottomotoren häufig über das Wastegatetastverhältnis gesteuert. Im Rahmen dieses Projektes wurde zunächst ein echtzeitfähiges und steuergerätefähiges Modell des Luft- und Abgaspfades eines aufgeladenen Ottomotors erstellt. In einem zweiten Schritt wurden basierend auf diesem Vollmodell verschiedene Steuerungsverfahren untersucht, um die hohe Qualität bestehender Serienlösungen weiter zu verbessern.

Hinter-KAT-Regelung

Die Einhaltung der aktuell gültigen und der zukünftigen noch strengeren gesetzlichen Grenzwerte für den Schadstoffausstoß von Kraftfahrzeugen stellt eine große Herausforderung für die Automobilindustrie dar. Die Bildung von Schadstoffen wie Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffen und Stickoxiden wird maßgeblich vom Luftverhältnis λ beeinflusst, d.h. vom Verhältnis der im Brennraum vorliegenden Luft- und Kraftstoffmassen. Die Konzentrationen der Schadstoffe in dem vom Kraftfahrzeug ausgestoßenen Abgas hängen vornehmlich von der Wirksamkeit des Dreiwege-Katalysators ab, der die Schadstoffe in ungiftige chemische Verbindungen umwandelt.

Die Sauerstoffbeladung kann mit der im Fahrzeug verfügbaren Sensorik nicht direkt gemessen werden und muss über einen Beobachter ermittelt werden. Bei dem in dieser Arbeit entwickelten echtzeitfähigem Modell eines Dreiwege-Katalysators handelt es sich um ein Sauerstoffspeichermodell, dass sich von anderen Sauerstoffspeichermodellen in der Hinsicht unterscheidet, dass es die räumliche Verteilung des im Katalysator gespeicherten Sauerstoffes berücksichtigt. Dazu wurde der Katalysator entlang der Längsachse diskretisiert. Dadurch steht der Regelung eine Art Verlauf der Sauerstoffbeladung im Katalysator zur Verfügung und damit eine zusätzliche Prozessinformation.

Zur Regelung des Luftverhältnisses wurden verschiedene Regelungsansätze entwickelt. Dazu zählen unter anderem eine Modellfolgeregelung, ein Regelungsansatz für Prozesse mit Totzone und langsam veränderlicher Eingangsstörung, sowie ein beobachtergestützter Zustandsregler mit dem zuvor beschriebenen Modell. Daneben wurden auch moderne nicht-lineare Verfahren für die Regelung eingesetzt wie beispielsweise ein nichtlinearer IMC-Regler (Internal Model Control) basierend auf dem hinter dem Katalysator gemessenen Luftverhältnis und eine nichtlineare Zustandsregelung basierend auf einem Extended Kalman Filter und einem SDRE-Ansatz (State-Dependent Riccati Equation). Den besten Kompromiss in Bezug auf Rechenaufwand, Regelgüte und Robustheit gegenüber Modellunsicherheiten liefert dabei der beobachtergestütze Zustandsregler mit Linear-Quadratisch-Optimaler Zustandsrückführung, welcher für einen aufgeladenen Ottomotor mit Benzin-Direkteinspritzung praktisch umgesetzt wurde.

Untersuchung von Thermomanagement-Konzepten im automatisierten Prüfstandsbetrieb

Aktuelle Fahrzeug- und Motorenentwicklungen müssen den wachsenden Anforderungen an Motorleistung, Verbrauch und Abgasemissionen Rechnung tragen. Im Rahmen dieser Forderungen hat sich in letzter Zeit auch das Interesse an geeigneten Thermomanagementkonzepten verstärkt.

In diesem Zusammenhang werden in der automotiven Arbeitsgruppe Antworten zu zwei Fragestellungen gesucht:

  • Wie und unter welchen Bedingungen kann Wärme aus einem vorhergehenden Motorbetrieb für den nächsten Kaltstart gespeichert und optimal wieder zurückgeführt werden?
  • Wie muss die Wärme zu Beginn eines Kaltstarts verteilt werden, um einen größtmöglichen Wirkungsgradgewinn zu erreichen?

Zur Untersuchung von intelligenten Steuerungen für die Wärmeflüsse im Fahrzeug stehen dabei drei Varianten zur Verfügung:

  • Ein SIMULINK-Temperatur-Modell des Fahrzeug-Kühlsystems kann für erste, einfache Tests eingesetzt werden.
  • Eine Hardware-Testumgebung eines Fahrzeugkühlsystems mit Modellkomponenten ermöglicht es, diese Ideen unter realitätsnäheren Bedingungen umzusetzen.
  • Ausgewählte Konzepte sollen dann unter realistischen Bedingungen am Pkw-Motor umgesetzt und getestet werden. Auf der Basis eines Otto-Kraftstoff-Verbrennungsmotors wurde dafür ein Prüfstand im Anwendungszentrum Regelungstechnik aufgebaut.Durch Erweiterungen und Umbauten von Motor und Prüfstands-Peripherie entsteht so momentan eine Experimentierplattform für ein verbessertes Thermomanagement an Verbrennungsmotoren.

Die Untersuchungen zum Thermomanagement an Verbrennungsmotoren sind zeitaufwendig und benötigen eine relativ hohe Zahl an Stelleingriffen zu vorgebbaren Zeiten. Eine hohe Wiederholgenauigkeit ist aber für exakte Aussagen Voraussetzung, da aufgrund der Stochastik von Verbrennungsprozessen eine Vielzahl von identischen Messungen nötig ist.

Voraussetzung dafür ist ein intelligentes Konzept für einen automatisierten Prüfstandsbetrieb, welches es dem Anwender ermöglicht, möglichst flexibel Messaufgaben zu definieren, welche dann weitgehend automatisiert abgearbeitet werden. Die Verwaltung paralleler Prozessabläufe, ein intelligentes „Design of Experiment“ und die Einhaltung von Sicherheitsrandbedingungen sind Leistungsmerkmale des entwickelten Konzepts zur optimierten Prüfstandssteuerung.

Analyse und Design von Betriebsstrategien für Hybridfahrzeuge unter Verwendung der Theorie optimaler Steuerungen

Bei Hybridfahrzeugen ist die Betriebsstrategie ein wichtiges Instrument zur Steuerung der Freiheitsgrade im Spannungsdreieck Agilität-Kraftstoffverbrauch-Emissionen. Bei der Lösung müssen Fahrbahrkeits- und Komfortkriterien berücksichtigt werden oder auf Erfüllung geprüft werden. Kann dieses Optimalsteuerungsproblem gelöst werden, so steht ein wichtiger Satz von Informationen für die Applikation von Steuerungen/Regelungen zur Verfügung. Bei der Lösung dieses Optimalsteuerungsproblems stellen sich folgende Herausforderungen:

  • Die für die Lösung des Problems verwendete Fahrstrecke ist in Normalfall nicht repräsentativ für alle vorkommenden Fahrprofile. Der tatsächliche Fahrverlauf ist generell nicht bekannt und kann höchstens aus Navigationsdaten und gespeicherten Fahrprofilen approximiert werden.
  • Die Freiheitsgrade sind sowohl kontinuierlich (z.B. Momentenaufteilungen, Nockenwellenposition), als auch diskret (z.B. Start/Stop-Vorgänge, Zylinderabschaltung).
  • Bei Berücksichtigung aller Nebenbedingungen wird das Optimalsteuerungsproblem sehr komplex und unter Umständen nicht lösbar.

Das Problem wird in kleinere Probleme aufgeteilt, die dann gelöst und deren Ergebnisse analysiert werden. Dazu werden geeignete Optimierungsverfahren ausgewählt und Vereinfachungen getroffen, die eine hohe Qualität der Lösung sicherstellen. Mit Hilfe der gewonnenen Daten werden Regler und Kennfelder parametriert, die zur Bedienung der Freiheitsgrade notwendig sind. Es hat sich gezeigt, dass durch entsprechende Vereinfachungen die Anwendung der Optimalsteuerungstheorie für die Entwicklung neuer Funktionsansätze zur Online-Lösung des Optimalsteuerungsproblems möglich ist. Ein Optimalsteuerungsproblem wird u. a. für eine Abschätzung des zukünftigen Streckenprofils gelöst und damit ein geeigneter Parametersatz der Betriebsstrategie zur Verfügung gestellt. Eine solche Funktion wird für eine gegebene Hybrid-Topologie entwickelt und wird über Prüfstandsversuche bis hin zur Anwendung in Prototypen getestet.